Schwund des öffentlichen Raumes in Hermagor

Der einzig zentral gelegene Ort zum Verweilen ist in Hermagor/Šmohor seit Jahrzehnten der Friedenspark. Nachdem die katholische Kirche als Grundstückeigentümerin einen Teil des Parks an Privatpersonen verkaufte, werden nun Teile dieser öffentlichen Grünfläche in die Kommodifizierung Hermagors eingegliedert und laut diversen Berichten weitere Parkplätze errichtet. Die entsprechende Umwidmung wurde bereits 2017 mit einer Stimmenmehrheit von ÖVP-FPÖ-Tillian im Gemeinderat beschlossen. Seit wenigen Tagen ist der Friedenspark eine große Baustelle: Grünfläche, Sitzgelegenheiten und Spielplatz sind wie vom Erdboden verschluckt. Parallel dazu ist seit Jahren eine Diskussion um den durch den oberen Stadtteil fließenden Mühlbach im Gang: Seit Bund und Land ein Grundstück bei der Wehranlage im Graben an eine Privatperson verkauft haben, bei dem der Mühlbach von der Gössering abzweigt, fließt in dem kleinen Stadtfluss kein Wasser mehr – Fische verenden im ausgetrockneten Flussbett, AnrainerInnen sind verärgert, die Politik gibt sich machtlos.

Veraltete Konzepte

Während Mühlbach und Friedenspark zeigen, dass private Profitinteressen nicht in Einklang mit öffentlichen Bedürfnissen zu bringen sind, sind der im Aufbau begriffene Gewerbepark Burgermoos und der zugepflasterte Hauptplatz Ausdruck einer Stadtpolitik, die auf wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung um jeden Preis abzielt. Dabei wird auf veraltete ortsplanerische Konzepte wie bauliches Wachstum bei gleichzeitigem Anstieg des Leerstands, Bodenversiegelung und rücksichtslose Eingriffe in naturräumliche Sphären zurückgegriffen und Mensch und Umwelt den Interessen einiger weniger Profiteure untergeordnet.
Ein weiteres veraltetes Konzept, das sich in Hermagor gehalten hat, ist die (vermeintlich) bedeutende Rolle des motorisierten Individualverkehrs. Dass die Stadt bei einem effektiven Bevölkerungsrückgang einen ständig steigenden Bedarf an Parkplätzen verzeichnet, spricht ebenso für ein fehlgeleitetes Verkehrs- und Mobilitätskonzept wie auch die weitgehende Ignoranz der Stadtpolitik gegenüber RadfahrerInnen und die sinkende Bedeutung bzw. der Rückbau des Öffi-Verkehrs in den vergangenen Jahren. Die Hauptlast dieser Entwicklung tragen jene EinwohnerInnen, die aus finanziellen oder gesundheitlichen Gründen nicht am Individualverkehr teilnehmen können.

Kulissenwirtschaft

Doch nicht die Stadtpolitik allein prägt die gegenwärtige Entwicklung Hermagors. Eine wichtige Rolle spielt die oft von politischen EntscheidungsträgerInnen forcierte Tourismuswirtschaft. Ob die geplanten kapitalistischen Prestigebauten am Pressegger See, aufpoppende uniformierte Feriendörfer oder das geplante „Einkaufsparadies“ am Berg im Skigebiet Nassfeld: die Veränderung des Erscheinungsbildes unserer Region steht auch in diesen Fällen in direktem Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Interessen einer kleinen Zahl von finanzkräftigen AkteurInnen und InvestorInnen, die der gesamten Region ihren Stempel aufdrücken und dies in Zukunft vermehrt tun werden. Die Stadt bzw. die Gemeinde mit ihren EinwohnerInnen und der naturräumlichen Ausstattung dienen dabei lediglich als vermarktbare Kulisse für TouristInnen bzw. KonsumentInnen, die den Profit für einen kleinen Kreis an Leuten sichern sollen. Wie viel (oder wenig) von der Wertschöpfung des Tourismus tatsächlich bei den lohnabhängigen GailtalerInnen ankommt, sieht man nicht nur an den oftmals miesen Arbeitsbedingungen, sondern auch an den schlecht bezahlten Jobs in der Branche, v. a. in der Hotellerie und Gastronomie; man sieht es auch am Wunsch der Jugend, schnellstmöglich nach Schulabschluss in den Kärntner Zentralraum oder in Österreichs urbane Zentren abzuwandern und damit den eher schlechten Perspektiven im ländlichen Raum zu entfliehen.
Dass Hermagor wirtschaftlich vom Tourismus in hohem Maß abhängig ist, steht außer Frage. Offenkundig ist auch, dass Hermagor und Umgebung momentan eine dynamische Entwicklung erleben. Doch solange Schritte und Entwicklungen in Hinblick auf Infrastruktur, öffentlichen Raum und Ortsplanung nach rein profit- und wachstumsorientierten Maßstäben erfolgen, solange Labels wie „Nachhaltige Region“ vor allem dem Marketing und der Kosmetik dienen, solange der hier ansässigen Bevölkerung und den touristischen Gästen öffentliche Räume und Grünflächen ohne Konsumzwang genommen werden, solange in dieser Kleinstadt weiterhin Flächen versiegelt und gepflastert werden, solange werden Fragen demokratiepolitischer, sozialer, kultureller, ökonomischer und allem voran auch ökologischer Art in Zukunft bestimmt nachdrücklicher und lauter gestellt werden müssen. – (dj)

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