Keine Meisterleistung

Am 29. Juni 2022 wurden die Leser*innen des Mitteilungsblattes über die Einstellung des Masterstudiums Slawistik an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Celovec nach Beschluss des Rektorats informiert. Damit setzte sich das Rektorat über die Entscheidung des demokratisch gewählten Senats hinweg, das Masterstudium Slawistik in seiner jetzigen Form beizubehalten. Den Studierenden der Slawistik selbst wurde dies erst Tage später per E-Mailaussendung mitgeteilt. Eine Inskription war theoretisch noch bis 11.7. möglich; die Studierenden hatten also etwas mehr als eine Woche Zeit, ihr Bachelorstudium abzuschließen und das Masterstudium Slawistik zu beginnen. Soweit die Fakten.

Die KPÖ Kärnten/Koroška sieht in der Einstellung des Masterstudiums Slawistik einen Affront gegen die slowenische Volksgruppe. Allerdings ist es ebenso ein Affront gegen eine vertiefende sprachliche, literarische und kulturelle Bildung, gegen eine vielfältige Bildungspolitik allgemein. Sie ist ein Zugeständnis an das neoliberale und kapitalistische Verständnis von Wissensvermittlung der Bundesregierung. Studien werden durch die neue Regelung zur Studienplatzfinanzierung, die seit einiger Zeit gilt, nämlich in PAS (prüfungsaktive Studierende) gemessen und finanziert: Studierende wurden zur Währung, »gute« prüfungsaktive Studierende sind nur mehr solche, die pro Semester Prüfungen im Ausmaß von mehr als 16 ECTS oder 8 Semesterwochenstunden ablegen. Die anderen sind nichts wert, d.h. die Unis bekommen für sie kein Geld. Wie Rektor Vitouch in seiner Presseaussendung betont: »Ein Studium, das niemand studiert, existiert nicht.« Was allerdings nicht überlegt wurde: Die Weiterführung des Masterstudiums Slawistik in der jetzigen Form würde wenig bis gar nichts zusätzlich kosten, maximal neue Studierende bringen. Denn die Studierbarkeit für die bereits inskribierten Studierenden muss sowieso noch vier bis sechs Semester gewährleistet werden. Es wäre ein Leichtes gewesen, das Studium noch wenigstens für ein bis zwei Semester für die Inskription offen zu lassen, um zu schauen, wie sich die Lage entwickelt, gerade jetzt, nach den ersten Sondierungsgesprächen mit der Universität Ljubljana/Laibach zu einem gemeinsamen Masterstudium Slowenistik, und in der Hoffnung möglicher Synergieeffekte durch das neue Masterstudium Cross-Border Studies; oder wenigstens bis zur Nachfrist des laufenden Semesters, Ende Oktober, um den Studierenden noch eine realistische Chance für eine Inskription zu geben.

Das Masterstudium Slawistik wurde somit zum Bauernopfer des Paktes zwischen Bildungsministerium und der mit dem Rücken zur Wand stehenden Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Celovec. Die logische Rechnung: Wir streichen eines der Studien mit den wenigsten Studienanfänger*innen. Der reale Kosten-Nutzen-Faktor wurde allerdings, ebenso wie bei der Auflassung der Professur für Mehrsprachigkeit im Jahr 2021, außer Acht gelassen. Die eine Sache ist, was dieser Schritt monetär bringt – wenig bis nichts. Die andere Sache ist, welches Bild sich dadurch ergibt. Hier ein paar Dinge, die im Kontext gesehen werden müssen:

1.) Seit längerem wird versucht, der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Celovec die regionale Verankerung und ihre zwei- bzw. mehrsprachige Besonderheit zu nehmen. Die herausstechenden Merkmale werden geschliffen, das International-kompetitive hervorgehoben. So ist etwa still und heimlich das aus gutem Grund dem Wort „Universität“ vorangestellte „Alpen-Adria-“ wieder aus der Corporate Identity verschwunden, glücklicherweise aber nicht aus den Köpfen und dem Sprachgebrauch der Menschen (auch an der Uni selbst). Und auch die Homepage zeigt den vollen Namen noch, wenigstens in der Internetadresse: www.aau.at. „Celovec“ hat es im Namen leider und unverständlicherweise nie gegeben. Übrig bleibt nur noch das verstümmelte »Universität Klagenfurt«, eine Uni von vielen; eine kleine unscheinbare in einer kleinen Stadt, im Wettstreit mit vielen großen, namhaften. Was dabei übersehen wurde: Es sollte nicht darum gehen, die Universität nur international vergleichbarer, zu einer weiteren gleichen unter vielen verwechselbaren zu machen, sondern darum, die Besonderheiten und USP (unique selling points) hervorzuheben, den Studienstandort Klagenfurt/Celovec an sich für Österreicher*innen attraktiver zu gestalten, um gegen die schwindenden Studierendenzahlen (uniweit, nicht nur an der Slawistik) zu kämpfen; bei den internationalen Studierenden sind wir bereits gut im Kurs. Hier ist die Landes- und Stadtpolitik gefragt, aber natürlich auch die Universität selbst. Und die Bundesregierung muss den Würgegriff endlich lockern und die Universitäten wieder Universitäten sein lassen. Wissen kann nicht mit Geld aufgewogen werden, ebensowenig wie Pflege, Grundversorgung, öffentlicher Verkehr

2.) Das Master Cross-Border Studies ist der kreative Versuch des Instituts für Slawistik, neue Zielgruppen Studierender zu erreichen, aber natürlich auch sich gegen eine mögliche Auflösung des Masterstudiums Slawistik abzusichern, die seit Jahren wie ein Damokles-Schwert über ihm hängt. Es war aber immer als Ergänzung konzipiert und nicht als Erbe des bestehenden Masterstudiums, da es nur zu etwa 60 % mit philologisch-slawistischen Inhalten gefüllt werden kann.

3.) Die Auflassung des Masterstudiums Slawistik passt sehr gut in den negativen Trend des Kärntner Bildungssystems: Im Vergleich mit anderen Bundesländern wurden unverhältnismäßig viele Kleinschulen geschlossen, die Gebäude verkauft. Diese Maßnahme trifft das ländliche Gebiet, und angesichts der mangelnden zweisprachigen Qualifikation des Leitungspersonals und der Teamlehrer*innen damit vor allem das zweisprachige Schulwesen. Gleichzeitig ist der öffentliche Verkehr in Kärnten/Koroška eine Farce, dafür 550 Euro von den Nutzer*innen zu verlangen kann nur als zynisch bezeichnet werden. Wer kein Auto hat, ist am Land verloren; Landflucht, meist über die Landesgrenzen hinaus, ist die Folge. Dies trifft einmal mehr auch die slowenische Volksgruppe.

4.) Die Auflassung des Masterstudiums Slawistik passt auch sehr gut in den Trend hin zur Elitenmehrsprachigkeit: Englisch als internationale Verkehrssprache wird immer stärker forciert (nicht die Anglistik, wohl gemerkt, nur das Englische), der Wert aller anderen (Fremd-)Sprachen bewusst niedrig gehalten bzw. revidiert. Das zeigt sich sowohl im Bereich der Zweisprachigkeit, wie auch beim muttersprachlichen Unterricht, der eigentlich das Recht jede*r Schüler*in mit anderer Familiensprache als Deutsch darstellt, in der Realität aber immer stärker beschnitten wird.

5.) Die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Celovec ist die einzige Möglichkeit im zweisprachigen Gebiet, Menschen zu befähigen, sich mit der slowenischen Sprache, Literatur und Kultur wissenschaftlich auseinanderzusetzen. Die Auflösung des Masterstudiums Slawistik in Klagenfurt/Celovec kann nur mit einer Auflösung des Masterstudiums Germanistik in Bolzano/Bozen verglichen werden. Zudem stellt sich die Frage, wie der neue Rektor der Universität Ljubljana/Laibach die Kooperationsgespräche und die Handschlagqualität der Universität Klagenfurt nun bewertet, nachdem mit der Auflassung des Masterstudiums Slawistik nicht einmal bis zum Ende der Verhandlungen über ein mögliches gemeinsames Studium gewartet wurde.

6.) Nicht die Universität Klagenfurt als Gesamtheit hat sich „oft und oft“ um die slowenische Sprache und Kultur verdient gemacht (eine Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Celovec würde das wahrscheinlich tun), sondern vor allem das Institut für Slawistik sowie Lehrende und Studierende anderer Institute und Abteilungen, die zwar Teil der Universität sind, in diesen Dingen häufig aber eigenverantwortlich handelten bzw. handeln.

Die KPÖ Klagenfurt/Celovec fordert Universität, Stadt, Land und Bund zum Handeln auf und sieht als einzigen möglichen Lösungsweg den folgenden:

  • 1. Das Masterstudium der Slawistik muss aufgrund seiner speziellen Bedeutung für die slowenische Volksgruppe erhalten bleiben, abgekoppelt von der einengenden und unfairen Studienplatzfinanzierung.
  • 2. Eine durchgängige zweisprachige Ausbildung vom Kindergarten bis zum Doktoratsstudium muss gewährleistet sein.
  • 3. Das Land Kärnten und die Stadt Klagenfurt bemühen sich um die Attraktivierung des (Studien-)Standortes Klagenfurt/Celovec, nicht nur für Unternehmen, sondern für Menschen.
  • 4. Slowenisch als zweite Amtssprache wird flächendeckend im öffentlichen Dienst eingeführt (mindestens auf dem Niveau A2 nach GERS).
  • 5. Slowenisch wird an allen öffentlichen Schulen im Geltungsbereich des zweisprachigen Schulwesens als Pflichtfach eingeführt, außerhalb des Geltungsbereichs als Wahlfach.
  • 6. Bund, Land und Stadt stellen für diese dringend umzusetzenden Maßnahmen die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung.

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